Überregionale Stellungnahme zur EKM-Studie zur Situation von Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe

Die Eidgenössische Kommission für Migration (EKM) hat heute ihre Studie zu Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe präsentiert. Das Solinetz Luzern und 18 weitere Organisationen aus der ganzen Schweiz nehmen gemeinsam Stellung gegen den seit Jahren andauernden Verstoss gegen die Bundesverfassung und die UN-Kinderrechtskonvention. Um diese direkte institutionelle Diskriminierung der betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Nothilfe zu beenden, braucht es: (1) Stabile Aufenthaltsbewilligungen statt ständige Ausschaffungsgefahr; (2) Sozialhilfe statt Nothilfe; (3) Regelschule statt Segregation.

Wird ein Schutzgesuch in der Schweiz abgelehnt, eine Ausschaffung der Person ist aber nicht möglich, erhält diese ausschliesslich Nothilfe. Dies beinhaltet den Anspruch auf Hilfe, Betreuung und Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Auch Kinder und Jugendliche sind davon betroffen. Nun zeigen einen repräsentative Studie und ein ausführliches Rechtsgutachten, die im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Migration (EKM) erstellt wurden: Das Nothilferegime verstösst gegen die UN-Kinderrechtskonvention sowie gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen zum Schutze von Kindern und Jugendlichen.

GEFÄHRDUNG AUFGRUND VON SCHÄDIGENDEN BEDINGUNGEN

Eingeführt wurde das Schweizer Nothilferegime vor 20 Jahren. Offizielles Ziel ist es, abgewiesene Asylsuchende durch eine auf das Minimum beschränkte Unterstützung und durch die Isolation in Nothilfe-Camps zur Ausreise zu bewegen. Diese zermürbenden Bedingungen wirken auf die Dauer für alle schädigend. Besonders betroffen von der Härte des Nothilferegimes sind allerdings Kinder und Jugendliche.

Gravierende Mängel bestehen insbesondere in den Bereichen Unterbringung, Bildung und soziale Teilhabe sowie Gesundheit. Dies hängt vor allem mit den engen Platzverhältnissen wie auch der Lage der Nothilfe-Camps zusammen. Bei Kindern im Vorschulalter besteht häufig die Gefahr der Unterstimulation, da kaum Spielmöglichkeiten oder Freizeitaktivitäten ermöglicht werden. Bei Jugendlichen besteht die Gefahr, dass sie durch die knappen Raumverhältnisse und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit nicht genügend Autonomieerfahrungen machen. Die regelmässigen Unterkunftswechsel erschweren den oft benötigten Zugang zu psychologischer und pädagogischer Unterstützung und bieten ungenügend Stabilität beim Aufwachsen.

GEFÄHRDUNG POTENZIERT SICH ÜBER DIE JAHRE

Zwar wurde das Nothilferegime als Übergangslösung bis zu Ausreise konzipiert. Gemäss Studie bleiben jedoch mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen weit länger als ein Jahr in einem Nothilfe-Camp blockiert. 2020 waren 390 der rund 700 abgewiesenen Kinder und Jugendlichen im Langzeitbezug.

WIE KANN DAS KINDESWOHL VON ABGEWIESENEN KINDERN UND JUGENDLICHEN BESSER GESCHÜTZT WERDEN?

  1. Stabile Aufenthaltsbewilligungen statt ständige Ausschaffungsgefahr: Eine stabile Aufenthaltsbewilligung schützt Kinder und Jugendliche wirksam und effizient vor den Missständen der Nothilfe. Illegalisierung darf nicht weitervererbt werden.

  2. Sozialhilfe statt Nothilfe: Sozialhilfe sichert Kindern und Jugendlichen einen besseren Zugang zu einer angepassten Unterbringung, Bildung, sozialer Teilhabe und Gesundheit. Nothilfe ist schädigend.

  3. Regelschule statt Segregation: Regelschulen sichern den Zugang zu Unterricht und sozialer Teilhabe, Sprachkursen, sozialpädagogischer Unterstützung und Aufgabenhilfen. Segregative und separative Schulung diskriminieren.

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Offener Brief an den Kanton Luzern: Kindeswohl von abgewiesenen Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe schützen

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